Zurück zum Hub: Mental Health & Burnout-Prävention

Support-Systeme wirksam nutzen

Interne und externe Hilfe klar strukturieren und messbar machen.

Grundlagen & Zielbild

Ein Support-System hilft Menschen, früh und ohne Hürden passende Unterstützung zu finden – ohne Stigma, ohne Umwege. Es schützt Vertraulichkeit, respektiert Grenzen und verknüpft Hilfe direkt mit der Arbeitsorganisation. Design-Prinzipien:

  • Niedrigschwellig: 2–3 Klicks zum Angebot, klare Ansprechstellen, keine Labyrinthe.
  • Mehrstufig: Selbsthilfe-kollegiale Hilfe-Führung/People-Ops-externe Profis.
  • Neutral & freiwillig: Keine Diagnosen, keine Pflichtbeichten; Optionen statt Druck.
  • Messbar: Nutzung, Zufriedenheit, Wartezeiten, Outcome – ohne personenbezogene Gesundheitsdaten.
  • Privacy-by-Design: So wenig Daten wie möglich, so sicher wie nötig.

System-Architektur: Ebenen & Pfade

Denke Support wie ein Netzwerk mit klaren Pfaden (Flows) und Übergabepunkten:

  1. Selbsthilfe: Guides, Micro-Übungen, Checklisten, Tool-Vorlagen (Fokusblöcke, Shutdown-Routine).
  2. Peer-Support: Buddy-Systeme, Mentoring, themenspezifische Circles (Stress, Elternschaft, Pflege).
  3. Führung & People-Ops: 1:1-Gespräche, Arbeitsorganisation anpassen, Ressourcen klären.
  4. Externe Profis: Beratungshotlines, EAP-ähnliche Dienste, therapeutische Angebote, Coaching.

Jede Ebene hat klare Eintrittskriterien (z. B. „anhaltender Schlafmangel > 2 Wochen“-Stufe 3 prüfen) und definierte Übergaben (SBAR-Kurzlage, nächste Schritte, Datenschutz-Hinweise).

Interne Angebote: Was ihr im Haus leisten könnt

1) Selbsthilfe-Bibliothek (digital)

  • Guides: Atem-Reset (2 Min), Start/Shutdown-Routinen, Priorisieren (1-3-5), „Ping mit Kontext“.
  • Vorlagen: Fokusblock-Planner, Wochen-Review, Entscheidungs-Log, Gesprächs-Cheat-Sheets (SBI/NVC/SBAR).
  • Audio-Snacks: 3-5-Min-Entspannungen, Mini-Bewegungseinheiten.

2) Buddy & Mentoring

  • Freiwillige Buddies (Grundschulung: Zuhören, Rahmen, Grenzen, Pfadkenntnis).
  • Matching nach Zeitzonen/Teams, einfacher Wechsel möglich.
  • Keine Problemlöse-Pflicht – Buddies sind Lotsen, keine Therapeuten.

3) Führung & People-Ops

  • 1:1-Rhythmus (2-wöchentlich), Agenda & Follow-ups verbindlich.
  • Arbeitsorganisation: WIP-Limit, Fokusblöcke, Meeting-Fenster, Handovers.
  • Ressourcen: Kapazitätsausgleich, Vertretung, Priorisierung mit Stakeholdern.

4) Interne Sprechstunden

  • Kurzformate (15–20 Min) mit People-Ops für Orientierung & Pfadwahl.
  • Dokumentation nur auf Teamebene (Trend/Angebote), keine Gesundheitsdetails.

Externe Angebote: Wann & wie ihr Partner einbindet

Externe Partner ergänzen euer System um Fachlichkeit und Neutralität. Einsatzfelder:

  • Beratungshotlines (anonym, niederschwellig): Erste Orientierung, Psychoedukation, Weiterleitung.
  • Coaching (arbeitsbezogen): Priorisieren, Grenzen, Rollenklärung, Kommunikation.
  • Therapeutische Angebote: Bei anhaltender Belastung oder wenn private Themen dominieren.
  • Schulungen: Führung (SBI/NVC/SBAR), Team-Rituale, Kanalhygiene, Konfliktkompetenz.

Qualitätskriterien für Partner

  • Wartezeiten & Erreichbarkeit belegt (SLA).
  • Klare Datenschutz-Standards, Auftragsverarbeitung geregelt.
  • Outcome-Reporting auf Team-/Aggregat-Ebene (keine Personenbezüge).

Wichtig: Interne Kanäle nie mit Diagnostik verwechseln; externe Profis übernehmen, sobald es um Therapie geht. Unterstützung bleibt freiwillig.

Zugangswege: Sichtbar, niedrigschwellig, sicher

Menschen nutzen Hilfe, wenn sie sie finden – in 2–3 Klicks und ohne Hemmschwelle. Bausteine:

  • Support-Hub (Intranet/Notion): Karten für „Selbsthilfe“, „Buddy“, „Führung/People-Ops“, „Extern“.
  • Kontakt in 1 Klick: Formular/Link mit klaren Datenschutz-Hinweisen.
  • Such-Shortcuts: „support“ im Chat-Bot mit Pfaden & Links.
  • Print/Poster: QR-Codes in Küchen/Stillen Räumen.
  • Barrierearm: Einfache Sprache, Screenreader-geeignet, Kontrast & Tastatur-Nutzung.

Transparenz schafft Vertrauen: Welche Daten, wofür, wie lange? Immer sichtbar beantworten.

Krisenpfade & Notfallprotokolle

Für akute Situationen braucht ihr klare, kurze Protokolle – nie improvisieren.

Akute Krise (z. B. suizidale Aussagen, Eigen-/Fremdgefährdung)

  1. Ruhe bewahren, Sicherheit priorisieren, nicht allein lassen.
  2. Interne Notfallkette auslösen (benannte Rolle/24-7-Rufnummer, falls vorhanden).
  3. Im Notfall Rettungsdienst anrufen (z. B. in Deutschland 112) und am Ort bleiben, sofern sicher.
  4. Keine Versprechen über Vertraulichkeit, die Sicherheit gefährden.
  5. Dokumentation nur der Fakten (ohne Bewertung), Follow-up organisieren.

Nicht-akute, aber dringliche Fälle

  • SBAR-Kurzlage, Übergabe an externe Ansprechstelle (Hotline/Termin).
  • Temporäre Arbeitsentlastung (Scope/Deadline/Vertretung).
  • Follow-up in 48–72 h, Wirksamkeit prüfen.

Hinweis: Diese Inhalte ersetzen keine medizinische/psychotherapeutische Hilfe. In akuten Notfällen immer den Rettungsdienst kontaktieren.

Recht, Datenschutz & Ethik

Schütze Menschen, indem du ihre Daten nicht sammelst. Grundsätze:

  • Datenminimierung: Keine Gesundheitsdetails im Unternehmen speichern.
  • Trennung: People-Ops/HR dokumentiert nur organisatorische Maßnahmen, keine Diagnosen.
  • Transparenz: Zweck, Rechtsgrundlage, Speicherdauer, Betroffenenrechte klar kommunizieren.
  • Auftragsverarbeitung: Mit externen Partnern sauber regeln; Berichte nur aggregiert.
  • Freiwilligkeit: Keine Benachteiligung durch Nutzung/Nicht-Nutzung von Angeboten.

Ethisch gilt: Würde, Autonomie, Vertraulichkeit. Keine „Heldengeschichten“ über Krisen veröffentlichen – Positivbeispiele fokussieren auf Prozesse, nicht auf Personen.

Messung, KPIs & ROI

Frühindikatoren (wöchentlich)

  • Nutzung der Selbsthilfe-Bibliothek (Views/Downloads).
  • Kontaktvolumen (anonymisiert) zu People-Ops/Buddy/Hotlines.
  • Wartezeiten auf externe Termine.

Outcome-Indikatoren (monatlich/vierteljährlich)

  • Cycle-Times, On-Time-Delivery, Rework-Rate.
  • Off-Time-Verletzungen, Meeting-Zeit (als Stress-Proxies).
  • Fluktuation, Abwesenheitstage (nur aggregiert).

ROI entsteht durch: weniger Eskalationen, geringere Ausfalltage, stabilere Liefertermine, höhere Bindung. Wichtig: KPIs nie als Druckmittel missbrauchen.

Onboarding & interne Kommunikation

Support wirkt erst, wenn alle wissen: Was gibt es, wofür, wie komme ich hin?

  • Onboarding-Modul (15 Min): Support-Hub, Pfade, Datenschutz, Grenzen.
  • Quartals-Reminder: Kurzmail/Slack-Post mit Updates & „How-to“.
  • Poster mit QR-Codes in Gemeinschaftsbereichen.
  • Storytelling: Prozess-Beispiele (ohne Personenbezug), „So läuft’s bei uns“.

Trainings, Rollen & RACI

Trainings

  • Führung: Gesprächsframeworks, Eskalationspfade, Arbeitsorganisation anpassen.
  • Buddies: Zuhören, Rahmen, Grenzen, Lotsenrolle.
  • Team: Kommunikationskultur, Kanalhygiene, Selbsthilfe-Tools.

RACI

  • Responsible: People-Ops/Führung – setzt Pfade um, hält SLAs.
  • Accountable: Bereichsleitung – Ressourcen, Prioritäten, Schutz der Freiwilligkeit.
  • Consulted: Mitarbeitende/Buddies – Feedback, Retros.
  • Informed: Externe Partner, Datenschutz, ggf. Interessenvertretung.

Häufige Fehler & Anti-Patterns

  • Support = Poster: Schöne Folien, aber keine Pfade-Nutzung bleibt aus.
  • Therapie-Ersatz: Interne Stellen interpretieren Symptome-No-Go. Externe Profis einbinden.
  • DM-Entscheidungen: Versanden. Immer im Ticket/Doc arbeiten.
  • Datensammelwut: Aus Angst „für später“ speichern-Risiko steigt, Vertrauen sinkt.
  • Stigma im Wording: „Belastbar vs. nicht belastbar“ – weglassen. Fakten & Prozesse sprechen lassen.

Mini-Cases: So wird’s wirksam

Agentur (30 MA)

Problem: Peak-Stress vor Abgaben. Lösung: Kurz-Hotline (extern) + interne 20-Min-Sprechstunde; Fokusblöcke & Decision-Logs; Buddy-System. Ergebnis: -25 % Überstunden, +18 % On-Time-Delivery.

SaaS-Team (45 MA, 3 Zeitzonen)

Problem: Zeitzonen-Reibung, Schlafprobleme. Lösung: Rotierende Entscheidungsfenster, Async-Stand-ups, externe Schlaf-Sprechstunde. Ergebnis: weniger Eskalationen, kürzere Cycle-Times.

Beratung (15 MA)

Problem: Kunden-Calls abends; keine Ausgleiche. Lösung: Ausgleichsslots, Pfade sichtbar, Coaching für Nein-Sagen. Ergebnis: Stabilere Energie, höhere Zufriedenheit.

30-Tage-Roadmap: Von ad hoc zu planbar

Woche 1 – Inventur & Minimal-Hub

  • Bestehende Angebote sammeln, Lücken markieren, SLAs klären.
  • Minimaler Support-Hub: 4 Karten (Selbsthilfe, Buddy, Führung/People-Ops, Extern).
  • Kurz-Policy: Freiwilligkeit, Vertraulichkeit, Datenschutz-Basics.

Woche 2 – Pfade & Kommunikation

  • Flows definieren (Eintritt, Übergabe, Follow-up), Krisenprotokoll finalisieren.
  • Onboarding-Modul & Poster mit QR-Codes live schalten.
  • Bot-Shortcut im Chat („support“-Links & Kontakte).

Woche 3 – Trainings & Partner

  • Führung & Buddies schulen (SBI/NVC/SBAR, Grenzen, Pfade).
  • Externe Partner briefen, AV-Verträge prüfen, Wartezeiten testen.

Woche 4 – Dashboard & Review

  • Nutzung/Erreichbarkeit messen, erste Retros, Quick-Wins umsetzen.
  • Kommunikation nachschärfen, Stolpersteine entfernen.

Checklisten & Snippets

Quick-Check Support-Hub

  • Finde ich jedes Angebot in 2–3 Klicks?
  • Ist Datenschutz kurz & klar erklärt?
  • Gibt es eine Kontaktmöglichkeit ohne Formular-Hürden?
  • Funktioniert der Bot-Shortcut zuverlässig?
  • Gibt es eine sichtbare Krisen-Anleitung?

Kommunikations-Snippets (Copy-&-Paste)

  • Niedrigschwelliger Einstieg: „Ich sehe gerade viel Druck im Team. Möchtest du 15 Min für Orientierung? Ich habe 2–3 Optionen parat.“
  • Rahmen & Grenzen: „Kein Diagnose-Gespräch – wir schauen auf Arbeitsorganisation & Wege zu Hilfe.“
  • Follow-up: „Ich blocke in 7 Tagen kurz, um Wirkung/weitere Schritte zu prüfen.“

Cluster-Übersicht

Grenzen setzen

Digitale, soziale & emotionale Grenzen wirksam durchsetzen.

Fazit & nächster Schritt

Ein funktionierendes Support-System ist sichtbar, einfach, freiwillig und messbar. Es verknüpft Selbsthilfe, kollegiale Unterstützung, Führung/People-Ops und externe Profis über kurze, sichere Pfade. Starte mit einem schlanken Hub, klaren Krisenprotokollen, Trainings für Führung & Buddies und einem kleinen Dashboard. Verankere Privacy-by-Design – und justiere quartalsweise anhand echter Nutzung und Outcomes. So entsteht Hilfe, die wirklich ankommt – ohne Menschen zu überfordern oder zu gläsern zu machen.

FAQ

Ersetzen interne Angebote professionelle Hilfe?

Nein. Interne Angebote orientieren, entlasten und verbessern Arbeitsorganisation. Diagnostik/Therapie liegt bei externen Profis – freiwillig und vertraulich.

Wie verhindere ich Stigmatisierung?

Freiwilligkeit betonen, klare Sprache ohne Labels, Prozesse statt Personen kommunizieren, Daten nur aggregiert berichten.

Welche Daten darf ich überhaupt erfassen?

So wenig wie möglich: Nutzung auf Systemebene, Wartezeiten, Zufriedenheit. Keine personenbezogenen Gesundheitsdaten im Unternehmen speichern.

Was ist in akuten Krisen zu tun?

Sicherheit zuerst, interne Notfallkette auslösen und im Notfall den Rettungsdienst kontaktieren (z. B. 112 in Deutschland). Danach sachlich dokumentieren und Follow-up sichern.

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Jens Röge

Jens Röge

Gründer von Norvio.
Fokus auf gesunde Arbeit, Ergonomie & Stressmanagement.

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